Geschichte der Schule

In der fast 150-jährigen Geschichte ihres Bestehens hat unsere Schule eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Im Zentrum der Betrachtung steht die Frage, wie wurde aus einer Mädchenschule das heutige Richard-Wagner Gymnasium? Diese Frage lässt sich als Geschichte in fünf Abschnitten beantworten.
PuckiSchule Den Beginn stellt eine Ankündigung im „Badener Wochenblatt“, dem amtlichen Verkündigungsblatt für den Kreis Baden, dar. Es wird am Samstag, den 21. November 1868, in der Ausgabe Nr. 140 folgende Entscheidung publiziert:

„Um den Einwohnern der hiesigen Stadt, sowie Auswärtigen Gelegenheit zu geben, ihren Töchtern jene höhere Erziehung und Bildung angedeihen lassen zu können, welche die Volksschulen nicht zu bieten vermögen, und welche den Söhnen hiesiger Einwohner durch die bestehende Mittelschule, bzw. die künftige Gelehrtenschule (Realgymnasium) geboten wird, hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 20. Juli 1867 [...] beschlossen, eine höhere Töchterschule in hiesiger Stadt zu gründen.“

Ähnlich der höheren Bürgerschule und den Gymnasien sollte eine Höhere Töchterschule Mädchen vom neunten bis fünfzehnten Lebensjahr aufnehmen. In den sechs Klassenstufen wurden die Mädchen in fünf Fächergruppen unterrichtet: Gruppe der ethischen Fächer (Religion, allgemeine Weltgeschichte, Geschichte der Literatur und Kultur); Gruppe der lebenden Sprachen (Deutsch, Französisch, Englisch); Gruppe der exakten Fächer (Rechnen, Buchhaltung und Formenlehre); Gruppe der naturwissenschaftlichen Fächer (Geographie, Naturgeschichte, Naturlehre mit Anthropologie und Diätetik) und die Gruppe der ästhetischen Fächer (Zeichnen, Schönschreiben, Gesang, weibliche Handarbeiten, Leibesübungen und Anstandslehre).
Die Satzungen nannten sogar die zur Vermittlung des Stoffs notwendigen Lehrer, klärten ihr Anstellungsverhältnis und das Gehalt, die Höhe des Schulgeldes und Möglichkeiten einer Ermäßigung. Darüber hinaus wurde die Aufstellung der Aufsichtsbehörde, die bestehen sollte aus „dem Bürgermeister der Stadt, Ortsgeistlichen der beiden christlichen Konfessionen, dem Direktor der Anstalt, zwei Gemeinderatsmitgliedern, vom Gemeinderat auf drei Jahre gewählt, und einem Einwohner Badens, festgelegt.


Die technischen Fragen, der Kauf von Häusern, deren Umbau und der Neubau eines Schulhauses durch den Architekten Lang konnten rasch gelöst werden, so dass das „Badener Wochenblatt“ mitteilte: „Das Schulgebäude, in der Stefanienstraße gelegen, bietet zugleich bezüglich der Wohnung für den Direktor und zwei Lehrerinnen und die Diener, was in dieser Beziehung nur zu wünschen ist. Von besonders hohem Werte ist das schöne, eine prächtige Fernsicht genießende, neuerbaute Schulhaus mit geräumigem Spielhofe und Spielgarten. Das Schulhaus enthält sechs geräumige Lehrsäle, ein großes Prüfungszimmer, Musik-, Zeichen- und Conversationsaal und eine geräumige, heizbare und gedeckte Turnhalle. Die Zimmer mit einer lichten Höhe von 14 Fuß haben alle solche Dimensionen, daß jeder Anforderung entsprochen ist.“


Nach der Berufung der erforderlichen Lehrkräfte konnte die Schule im Frühjahr 1869 ihre Eröffnung feiern, am 6. April 1869 übergab Bürgermeister Gaus in einer Feierstunde dem Vorstand Dr. Valentin Ekert und seinen Mitarbeitern das Schulhaus und den Lehrauftrag.

Die Jahre bis zum Ende des Kaiserreichs (1871 bis 1918) waren geprägt von Schwankungen und Veränderungen unterschiedlicher Art: so schwankten die Anmeldezahlen oder die Verweildauer der Kinder ausländischer Gäste stetig. Um den veränderten gesellschaftlichen Möglichkeiten, auch Mädchen bzw. jungen Frauen eine solide Wissensbasis zu verschaffen und dadurch auch ein Studium zu ermöglichen, wurden die Wochenstunden in den Fächern Latein und Mathematik erhöht. Im Gegenzug reduzierte man die Wochenstundenzahl in einigen Nebenfächern, was auch mit „der Erhaltung ihrer Gesundheit“ begründet wurde. Problematisch war und blieb aber das Fernbleiben in den oberen Klassen in den Fächern Turnen und Singen.
Das Anwachsen der Schülerzahlen in den letzten Jahren des Kaiserreichs führte dazu, dass die alten Räume zu klein wurden und neue gebaut oder angemietet werden mussten. Die Kriegsjahre hatten zur Folge, dass die jüngeren Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen worden waren und bereits pensionierte Kollegen Aushilfsdienste leisteten. Zur Unterstützung sammelten die Mädchen u.a. Bücher für die Soldaten oder verkauften selbstgestaltete Postkarten zugunsten der Verwundeten. Wie auch immer die Kaiserzeit die Schule prägte, konstant blieb ein positives Verhältnis zwischen den Bürgern Baden-Badens, den Eltern und der Schule: Am Ende des Kaiserreichs konnte die Schule ihre bis dahin höchste Schülerzahl von 305 Kindern vorweisen.

1919, zu Beginn der Zeit der Weimarer Republik, beschloss die badische Nationalversammlung, dass alle Kinder bis zum Eintritt in eine höhere Lehranstalt zum Besuch einer Volksschule verpflichtet seien, Klagen und Proteste der Eltern der Höheren Mädchenschule waren vergebens.
Somit bemühte man sich, wieder Fortbildungsklassen einzurichten; zudem wurde der Ausbau einer „Frauenschule“ gefordert. Auch war das „Bedürfnis nach wissenschaftlicher Ausbildung“ groß, die allgemeine Verarmung breiter Bevölkerungsschichten erlaubte jedoch kaum das Studium an den Universitäten, männliche Bewerber wurden bei Stellenangeboten weiblichen vorgezogen. Zugleich war der Wunsch, praktische Fächer wie „Kochen, Säuglings- und Krankenpflege, Kindergartendienst oder Nadelarbeit“ anzubieten, stark angewachsen. 1926 war aus der „Höheren Mädchenschule“ die „Mädchenrealschule“ geworden, dies war auch Ausdruck der veränderten gesellschaftlichen Realitäten – z.B. Kriegerwitwen, die für ihre Kinder und die Unverheirateten, die für ihre verarmten Eltern sorgen mussten. Trotzdem wurde in den folgenden Jahren um den Bestand der Schule gekämpft: Einerseits gingen die Anmeldezahlen, als eine Auswirkung der Weltwirtschaftskrise, deutlich zurück, andererseits suchte der Staat Baden nach Möglichkeiten, Ausgaben zu senken. Die vom badischen Staat angestrebte und forcierte Verschmelzung der Oberrealschule mit der Mädchenrealschule scheiterte letztendlich aber an den Kosten, den dieser Umbau des Gebäudes verursacht hätte.

Während der ersten fünf Jahre der 30-er Jahre veränderte sich der Kurs der Schule zunächst nicht. 1936 begann der langjährige Mathematiklehrer Dr. Albert Artopoeus als neuer Direktor für die Frauenschule eine neue Form zu finden und baute sie zu einer dreijährigen Oberschule um, die zum Studium sozialer, wirtschafts- und staatswissenschaftlicher Fächer berechtigte; 1940 wurde an der ehemaligen Mädchenrealschule das erste Abitur abgelegt.


Ab 1938 wuchs die Schülerzahl rasch an, was auch an der durch die Nationalsozialisten geschlossenen Kosterschule lag. Zudem sorgte die Evakuierung großer deutscher Städte dafür, dass 1944 „364 Schülerinnen und 45 Gastschülerinnen in 15 Klassen“ unterrichtet wurden. Dem Anwachsen stand allerdings gegenüber, dass in der Zeit des Nationalsozialismus sog. „nichtarische“ Kinder die Schule zu verlassen hatten und Lehrer, die der nationalsozialistischen Ideologie kritisch oder ablehnend gegenüberstanden, Verdächtigungen ausgesetzt waren.
1937 entschied man sich, der Schule den Namen Richard-Wagner-Gymnasium zu geben. Schriftliche Quellen über die Gründe der Namensgebung sind bisher nicht bekannt. Mündlich wird tradiert, dass die Wahl des Namens „Richard-Wagner“ auf das Bestreben zurückzuführen ist, einer nationalsozialistischen Namensgebung zuvorzukommen.
Das Jahr 1945 war von den Kriegsereignissen geprägt: Am 12. April 1945 zogen die französischen Truppen in Baden-Baden ein, die Schäden am Gebäude waren groß, trotzdem konnten 18 Abiturientinnen ihre Prüfung ablegen.

Einen Neuanfang stellte im Herbst 1945, nach notdürftiger Herstellung der Unterrichtsräume, der Unterrichtsbeginn mit 145 Mädchen dar. Die französischen Truppen beanspruchten allerdings das ehemalige Schulhaus, so dass 1946 mit dem Umzug auf den Schlossberg begonnen wurde, nur der Turn- und Physikunterricht konnte in den alten Räumen in der Stefanienstraße stattfinden. Da der ständige Wechsel zwischen den weit auseinander liegenden Unterrichtsräumen für alle Beteiligten völlig unzumutbar war, konnten die französischen Dienststellen überzeugt werden, eine Lösung zu finden – das Richard-Wagner Gymnasium zog in das Haus der städtischen Sammlungen in der Inselstraße ein, 1953 zog man in das alte Gebäude in der Stefanienstraße zurück.


Die Schwierigkeiten der Nachkriegszeit und die gesellschaftlichen Herausforderungen förderten das freundschaftliche Zusammenwirken des Richard-Wagner Gymansiums mit dem Markgraf-Ludwig-Gymnasium. Beide Schulen hatten die Form des neusprachlichen Gymnasiums, in den immer kleiner werdenden Lateinklassen kooperierten beide Schulen. So konnte Jungen, die in der Oberstufe fakultativ Englisch belegen wollten, im Jahr 1959 erstmals mit einer entsprechenden Mädchenklasse im Richard-Wagner Gymnasium gemeinsam unterrichtet werden.
Die neue Direktorin Maria Friederike Rieger, die 1965 ihr Amt antrat, setzte sich für die kurz zuvor veränderte Sprachenfolge (Englisch, Latein, Französisch) vehement ein, womit sich das Richard-Wagner-Gymnasium als Alternative zum naturwissenschaftlich-mathematischen Markgraf-Ludwig-Gymnasium präsentierte und ab diesem Zeitpunkt auch von Jungen besucht werden konnte.

Damit einher ging der Wunsch nach einem Neubau des Gymnasiums. Da die Umgebung der Schule in der Stadt keine Möglichkeit zur Vergrößerung darstellte, wurde im städtischen Schulausschuss 1968 die Idee zur Bildung eines Schulzentrums artikuliert. Nach einer jahrelangen Planungs-, Antrags- und Genehmigungsphase wurde im März 1973 der Startschuss für den Standort „Stubrain“ gegeben, weitere angrenzende Flächen wurden durch die Stadt Baden-Baden erworben. 1975 beschloss der Gemeinderat dem Entwurf von Hannes Hübner zu folgen, da die aufgelockerte Bauweise aus verschiedenen Gründen überzeugte. Im Jahr 1980 konnte das neue Schulgebäude im Westteil der Stadt bezogen werden.

25 jah2

Nachdem mit dem Bau der neuen Mensa im Jahr 2008 und dem neuen Lehrerzimmer 2013 die äußeren Um- und Anbauten vorläufig abgeschlossen sind, hat nun mit der Einführung des G8 ein neues Kapitel des inneren Umbaus der Schule begonnen.

Textnachweis: Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum 1869 - 1969